In dieser Begriffsübersicht erklären und kommentieren wir die (rechtlichen) Hintergründe der dazugehörigen Fallbeispiele. Bewertungen unsererseits sind jeweils als Kommentar versehen.
Personen aus dem Migrationsbereich, ergo Ausländer*innen, werden in der Schweiz mit einem Aufenthaltsstatus «versehen» (oder eben auch nicht, siehe Sans-Papiers). Der jeweilige Aufenthaltsstatus definiert wiederum die Rechte der entsprechenden Person. In der Praxis werden diese Rechte ständig umgangen, missachtet, gedehnt oder willkürlich ausgelegt. Deshalb sind Rechtsberatungs- resp. Anlaufstellen für Migrant*innen leider eine traurige Notwendigkeit (ja, wir arbeiten stets auf unsere eigene Abschaffung hin!). Hier eine Aufzählung der kontextuell wichtigsten Stati
Asylsuchende sind Personen, die ein Asylgesuch gestellt haben und sich im dazugehörigen, laufenden Verfahren befinden. Sie erhalten eine Bescheinigung über ihre Anwesenheit in der Schweiz, den sogenannten N-Ausweis. Asylsuchende haben eingeschränkte Rechte in allen Lebensbereichen. Eine genauere Aufstellung dazu findest du hier.
In der Schweiz gibt es zwei verschiedene Personengruppen, die eine vorläufige Aufnahme und somit einen F-Ausweis erhalten.
1) Vorläufig aufgenommene Ausländer*innen (VA / Vorläufige Aufnahme ohne Flüchtlingseigenschaft)
Die vorläufige Aufnahme (VA) ist keine Aufenthaltsbewilligung, sondern besagt, dass die Ausschaffung der Person aus rechtlichen Gründen nicht durchführbar ist. Deshalb wird die Person in der Schweiz vorläufig aufgenommen und erhält einen F-Ausweis. Vorausgesetzt wird, dass die Ausschaffung:
nicht zulässig (Verstoss gegen Völkerrecht)
nicht zumutbar (konkrete individuelle Gefährdung) oder
nicht möglich (vollzugstechnische Gründe) ist.
2) Vorläufige aufgenommene Flüchtlinge (VA / vorläufige Aufnahme mit Flüchtlingseigenschaft)
Personen, die gemäss Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling anerkannt, aber nach nationalem Recht vom Asyl ausgeschlossen sind (Art. 53 / 54 AsylG), werden vorläufig aufgenommen. Auch sie erhalten den F-Ausweis und geniessen auf Grund ihres Flüchtlingsstatus eine leicht verbesserte Rechtslage, als vorläufig aufgenommene Ausländer*innen
Kommentar: VA und Prekarität
Die vorläufige Aufnahme ist insgesamt ein sehr prekärer Status. Sie wird jedes Jahr neu überprüft und ein Familiennachzug ist frühestens nach 3 Jahren bei Erfüllung der notwendigen Erfordernisse möglich. Das Haupterfodernis ist dabei die wirtschaftliche Eigenständigkeit, ergo die Integration in den Arbeitsmarkt. Genau diese stellt sich heute jedoch als schwierig heraus – jeder Stellenantritt und jeder Stellenwechsel muss der Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde zur Bewilligung unterbreiten. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden durch die «Vorläufigkeit» der Bewilligung zusätzlich erschwert. Die prekäre Bewilligung führt deshalb nicht selten zu prekären Arbeits- und Lohnbedingungen. Der landwirtschaftliche Sektor ist ein Beispiel dafür. Maximale Wochenarbeitszeiten von bis zu 60 h und Tieflöhne (Bsp. BL: 3300.-/Mt.), zudem saisonal bedingte temporäre Arbeitsverträge ohne Sicherheit. Vorläufig Aufgenommene müssen zudem eine Sonderabgabe von 10% ihres Lohnes leisten. Vorläufig Aufgenommene sind aufgrund ihres Status besonders gefährdet, trotz Vollzeitjob in Armut zu leben, mit verheerenden Folgen für ihre Gesundheit, ihr Familienleben und ihre Sicherheit.
Ausländer*innen jeglicher Staatangehörigkeit haben grundsätzlich Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung, wenn sie die entsprechenden Bedingungen zur Zulassung erfüllen. Die Aufenthaltsbewilligung ist zweckgebunden, wird für die Dauer eines Jahres erteilt, jedes Jahr überprüft und entsprechend verlängert oder widerrufen. Eine Aufenthaltsbewilligung ist indes nicht gleich Aufenthaltsbewilligung. Einen verbesserten Rechtsstatus geniessen z.B. Staatsangehörige der EU/EFTA-Staaten durch das Freizügigkeitsabkommen. Sie erhalten grundsätzlich bei Nachweis/Antritt eines Arbeitsverhältnisses von mind. 12 Monaten eine Aufenthaltsbewilligung von 5 Jahren. Auch ihre Rechte in Bezug auf den Familiennachzug sind verbessert. Im Gegensatz dazu sind Angehörige von Drittstaaten schlechter geschützt und fallen bereits in Bezug auf ihren Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung – ausser im Falle eines Familiennachzugs – unter die jährlichen Höchstkontingente. Ihre Chancen zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung sind gering. Ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erhalten Personen mit einem positiven Asylentscheid. Ihnen wird als anerkannte Flüchtlinge Asyl gewährt und die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Durch Letztere geniessen sie gegenüber Angehörigen von Drittstaaten einen leicht verbesserten Rechtsstatus.
Ausländer*innen jeglicher Staatangehörigkeit haben grundsätzlich Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung, wenn sie die entsprechenden Bedingungen zur Zulassung erfüllen (Art. 34 AuG). Sie wird grundsätzlich unbefristet und ohne Bedingungen erteilt, meistens nach einem Aufenthalt in der Schweiz von 10 Jahren, unter bestimmten Umständen aber auch nach 5 Jahren oder direkt. Die Niederlassungsbewilligung kann nur schwer widerrufen werden (aber es IST möglich und kommt vor) und ist seit der letzten Revision des Bürgerrechtsgesetzes Voraussetzung für eine Einbürgerung. Sehr viele Second@s (also die zweite oder dritte Generation eingewanderter Migrant*innen) sind im Besitz einer Niederlassungsbewilligung.
Sans-Papiers sind Migrant*innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus – oder wie die Behörden sagen, «illegal anwesend». Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 90’000 und 250’000 Sans-Papiers in der Schweiz leben und arbeiten. Sans-Papiers haben nur äusserst rudimentäre Rechte, die in der Praxis meist nur schwer einforderbar sind. Abgewiesene Asylsuchende sind Personen, die einen rechtskräftigen negativen Asylentscheid oder ein rechtskräftiges, ablehnendes Urteil durch das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) auf eine Beschwerde gegen den negativen Asylentscheid erhalten haben. Sie haben eine rechtskräftige Wegweisung und müssen die Schweiz verlassen. Ihr Aufenthalt ist somit ebenfalls ungeregelt – resp. sind sie «illegal anwesend». Ihre Rechte sind massiv eingeschränkt.
Der Begriff der Nothilfe ist einer der meist missverstanden der Schweizer Asyl- und Ausländerdebatte. Deshalb gilt es, ihn aufzuschlüsseln.
Was ist Nothilfe?
Ursprünglich ist die Nothilfe ein Grundrecht, das in der Verfassung verankert ist (Art. 12 BV) und alle Menschen in der Schweiz vor einer Bettelexistenz bewahren soll. Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.
Wer erhält Nothilfe?
In der Praxis spielt die Nothilfe in der Schweiz nun lediglich im Asylbereich eine tatsächliche und wesentliche Rolle. Seit 2004, und verstärkt seit dem Inkrafttreten des verschärften Asylgesetzes anno 2008, haben Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt worden ist, keinen Anspruch auf Sozialhilfe mehr. Lediglich Nothilfe erhalten ergo folgende, rechtskräftig weggewiesene Personen aus dem Asylbereich:
rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende
Asylsuchende, die ihr Gesuch zurückgezogen haben
Personen mit einem Mehrfachgesuch
Personen, auf deren Asylgesuch rechtskräftig nicht eingetreten worden ist (Personen mit einem Nichteintretensentscheid (NEE), also auch sog. Dublinfälle)
Personen, denen die vorläufige Aufnahme entzogen wurde
Was bedeutet Nothilfe?
Bedeutet Nothilfe nun, dass eine Person einfach weniger Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand erhält? Bei weitem nicht nur. Im Kontext von Nothilfe wird im Asylbereich deshalb oftmals und zu Recht von einem ganzen «Nothilfe-Regime» gesprochen. Das Ziel dieses Systems ist es, Menschen, die die Schweiz nicht will, möglichst rasch zu verjagen. Das Nothilfe-Regime ist daher nicht bloss gezielt schikanös. Die Ausgestaltung der Nothilfe ist dabei grösstenteils den Kantonen überlassen, da sie für den Wegweisungsvollzug zuständig sind. Dies führt dazu, dass alle Kantone andere Massnahmen ergreifen. Die Gemeinsamkeiten sind in etwa Folgende:
Aufenthaltsstatus
Personen in der Nothilfe sind rechtskräftig weggewiesen, folglich irregulär resp. illegal in der Schweiz anwesend. Sie sind ergo in einer ähnlichen Situation wie Sans-Papiers, mit dem Unterschied, dass ihr Aufenthaltsort den Behörden bekannt ist.
Zwangsmassnahmen
Personen in der Nothilfe sind oft und wiederkehrend Opfer von Zwangsmassnahmen, wie bspw. Inhaftierungen, Ein- oder Ausgrenzungen oder Festhaltungen.
Materielle Grundsicherung
Die Nothilfe umfasst Nahrung, Hygiene, Kleidung und medizinische Versorgung. Oftmals werden Gutscheine oder Materialien direkt abgegeben (Art. 82 Abs. 4 AsylG), je nach Kanton wird auch Geld ausbezahlt. Die Ansätze liegen dabei zwischen CHF 0.- (bei reiner Materialabgabe) bis CHF 8.- pro Tag.
Unterkunft
Zuständig für die Unterbringung der betroffenen Personen sind die kantonalen Behörden. Sie bestimmen deren Aufenthaltsort und weisen ihnen eine Unterkunft zu. Diese Unterkünfte sind sehr einfach. Meistens handelt es sich um Kollektivunterkünfte, die sich an der Peripherie der Siedlungsgebiete befinden. Dies führt dazu, dass Personen durch die Kombination «abgelegener Ort» und «kein Geld für ÖV» quasi in ihrer Unterkunft festsitzen und sozial isoliert werden. In Basel-Stadt wiederum leben einige Betroffene in der Notschlafstelle – dauerhaft. Im Kanton Zürich existierte längere Zeit das Rotationsmodell, was bedeutete, dass die betroffenen Personen alle 10 Tage in eine andere Kollektivunterkunft umziehen mussten. Die Unterkunft soll so abschreckend wie möglich sein.
Identitätsnachweis
Die Gesetzgebung sieht für abgewiesene Asylsuchende kein Ausweispapier vor. Einige Kantone lassen die Asylsuchenden jedoch im Besitz ihres N-Ausweises. Meistens aber haben die betroffenen Personen einen weissen Zettel mit ihrem Namen darauf und ohne Foto. Dies reicht nicht aus in den zahlreichen Situationen, in welchen eine Person ihre Identität belegen muss (z.B. in der Bibliothek, im Zug, etc.)
Arbeit & Familie
Personen in der Nothilfe unterstehen einem generellen Arbeitsverbot und haben keinen Anspruch auf Familiennachzug
Gesundheit
Personen in der Nothilfe sind kollektiv krankenversichert.
Kommentar
Das Nothilfe-Regime in der Schweiz steht seit seiner Etablierung zu Recht unter Beschuss, doch am Elend änderte sich bis heute nichts. Die gesamte Ausgestaltung des Regimes ist eine humanistische Bankrotterklärung und zeigt die totale Überforderung der Schweizer Behörden auf der Vollzugsebene (Ausschaffungen) auf. Ein Grossteil der Personen in der Nothilfe kann aus verschiedenen Gründen schlicht nicht ausgeschafft werden, sei es, weil sie keine eindeutige Staatsangehörigkeit besitzen (z.B. viele Tibeter*innen) oder weil die Person sich weigert, zurückzukehren und das Herkunftsland eine Ausschaffung unter Zwang nicht akzeptiert (z.B. Algerien). In anderen Fällen scheitert schlicht die Schweiz daran, die Ausschaffung technisch durchzuführen – doch sie würde dies niemals so auslegen, weil dadurch ein Grund für die Anordnung einer VA bestünde. Diese Umstände führen dazu, dass manche Personen über Jahre in der Nothilfe leben. Folgender Film aus dem Jahr 2010 zeigt auf, wovon wir reden:
Das Thema Zuwanderung ist in der Schweiz eines der am heissesten und häufigsten diskutierten überhaupt. Fakt ist: innerhalb der jährlichen Zuwanderung von Ausländer*innen findet knapp ein Drittel über den Familiennachzug statt. Dies weiss zwar die Politik – und versucht das «Recht auf Familie» fortlaufend einzuschränken. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung ist dies kaum angekommen. Deshalb mal ein paar Zahlen (danke an Caritas Schweiz!):
Im Jahr 2016 kamen 44’836 Personen über den Familiennachzug in die Schweiz, davon 23’954 Familienangehörige von EU-28 / EFTA-Bürgern und 20’882 nachgezogene Drittstaatsangehörige.
Im Asylbereich, der separat ausgewiesen wird, sind die Zahlen der im Familiennachzug bewilligten Aufenthalte äusserst bescheiden: Im Jahr 2015 – als die Asylgesuche mit 40’000 den höchsten Stand seit den neunziger Jahren erreichten – waren dies gerade einmal 3290 Personen, darunter 2555 Kinder und 735 Erwachsene. Bei den Vorläufig Aufgenommenen erhielten nur 72 Angehörige das Recht, in die Schweiz zu kommen. Und im Jahr 2016, als die Asylgesuche bereits gesunken waren, wurde 3109 Angehörigen von anerkannten Flüchtlingen die Familienzusammenführung gewährt, bei den Vorläufig Aufgenommenen verminderte sich die Anzahl sogar auf 46 Angehörige, die in die Schweiz einreisen durften.
Die jeweilige Rechtsgrundlage, auf welche sich Ausländer*innen anhand ihres Status für den Familiennachzug berufen können, ist äusserst unterschiedlich. In Kernzügen zeigt sich die Ausgangslage wie hier im PDF beschrieben.
Das Positionspapier von Caritas Schweiz beschreibt weitere Grundlagen noch einmal ausführlicher, aber dennoch so knapp wie fundiert. Sind im Familiennachzug Drittstaatangehörige mit Aufenthalt ausserhalb des EU/EFTA-Raums involviert, gilt die einfache Formel: bezieht die nachziehende Person Sozialhilfe oder erscheint es möglich, dass die nachzuziehenden Personen Sozialhilfe beziehen könnten, wird der Familiennachzug systematisch verweigert. Wer arm ist, guckt also in die Röhre – eine Praxis, die sich verbreitet und laufend verschärft. Caritas Schweiz stellt im jüngsten Positionspapier deshalb absolut zu Recht fest:
Bewilligungen können von den Behörden unter bestimmten Umständen widerrufen bzw. nicht verlängert werden, wenn sogenannte Widerrufsgründe vorliegen (vgl. Art. 62 und Art. 63 AuG). Im Kontext eines Familiennachzuges einer Person, die sich im Ausland befindet führt der Widerruf zu einer faktischen Verweigerung der Bewilligungserteilung. Bei Personen, die bereits in der Schweiz ansässig sind, führt der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung zur Ausweisung ergo Ausschaffung der betroffenen Person. Die Widerrufsgründe für Personen mit Niederlassungsbewilligung sind weniger restriktiv als für Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung. So existiert bspw. die Praxis, dass nach 15jährigem Aufenthalt mit Niederlassungsbewilligung in der Schweiz die Widerrufsgründe kaum mehr durchsetzbar sind. Anders sieht die Situation bei Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung aus: die Aufenthaltsbewilligung kann widerrufen werden, egal wie lange eine Person schon in der Schweiz gelebt hat.
Widerrufsgründe sind unter anderem strafrechtliche Delikte (Stichwort: Ausschaffungsinitiative), ein erheblicher oder wiederholter Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung (wobei das Nichtnachkommen finanzieller Verpflichtungen ein solcher Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellt, Stichwort: Schulden) oder die Sozialhilfeabhängigkeit. In der Praxis werden die Widerrufsgründe sehr restriktiv angewendet, sodass der Verlust eines langjährigen Aufenthaltsrechts aufgrund von Schulden oder Sozialhilfeabhängigkeit regelmässig vorkommt. Mitunter auch trotz minderjähriger Kinder
Abhängig von ihrem Aufenthaltsstatus gelten für Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich verschiedene Zulassungsbedingungen für den Schweizer Arbeitsmarkt.
Asylsuchende haben während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltskein Recht zu arbeiten. Die Behörden können diese Sperrfrist um weitere drei Monate verlängern, wenn das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Asylgesuch innerhalb dieser drei Monate abgelehnt hat (Art. 43 Abs. 1 AsylG). Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist danach grundsätzlich unter strengen Voraussetzungen möglich (Art. 52 VZAE).
Jeder anerkannte Flüchtling, also auch vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, darf ohne Einschränkung eine Erwerbstätigkeit ausüben und die Stelle und den Beruf wechseln (Art. 61 AsylG). Voraussetzung dafür ist einzig, dass der/die Arbeitgeber*in ein entsprechendes Gesuch stellt und die ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen des Berufs und der Branche einhält (Art. 65 VZAE).
Vorläufig aufgenommene Ausländer*innen können von den Kantonsbehörden eine Arbeitsbewilligung erhalten – unabhängig von der Wirtschaftslage und der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben jedoch keinen Anspruch auf Zugang zum Arbeitsmarkt (Art. 85 Abs. 6 AuG).
Sans-Papiers und abgewiesene Asylsuchende unterstehen einem generellen Arbeitsverbot.
Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Ausländer*innen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben, haben zusätzlich zu den regulären Steuern eine Sonderabgabe in der Höhe von 10 Prozent des Einkommens zu entrichten. Die Sondersteuer entfällt, wenn sie den Betrag von 15’000 Franken erreicht hat, wenn die betroffene Person eine Aufenthaltsbewilligung erhält oder als Flüchtling anerkannt wird (Art. 86 AsylG; Art. 10 und 13 ff AsylV 2). Asylsuchende müssen zudem mit Beginn ihres Asylverfahrens ihre Vermögenswerte offenlegen. Die Behörden können diese beschlagnahmen, um abzusichern, dass die im Rahmen des Asylverfahrens verursachten Kosten zurückerstattet werden (Art. 87 AsylG)
Die Ausrichtung von Sozialhilfe ist in der Schweiz grundsätzlich Sache der Gemeinden. Für Sozialhilfebezüger*innen übernimmt die Gemeinde im Grundsatz die Kosten für:
den Grundbedarf
die monatliche Nettomiete
die Mietnebenkosten
die Krankenkassenprämie (exkl. Selbstbehalt und Franchise)
die Hausrat- und Haftpflichtversicherung
Die Richtlinien für diese Basiskosten erstellen die Gemeinden meist auf Basis einer (falls vorhandenen) kantonalen Verordnung. Das heisst also, dass Maximalbeträge für die Posten festgesetzt werden. Übersteigen die Basiskosten die Maximalbeträge, kommen die «situationsbedingten Leistungen» ins Spiel. Ab hier wird es dann nur noch im Individualfall verständlich. Die Abrechnungsmethoden variieren von Gemeinde zu Gemeinde, in 26 verschiedenen Kantonen. Sozialhilfe ist also kompliziert – zu Recht.
Die Richtlinien für den Grundbedarf werden von der Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) jährlich festgelegt. Obgleich diese Richtlinien lediglich Empfehlungen und ergo nicht verbindlich sind, befolgen sie die allermeisten Gemeinden.
Nicht alle in der Schweiz ansässigen Personen haben indes Anspruch auf Sozialhilfe nach SKOS-Richtlinien. Neben beispielsweise unverständlich niedrigeren Ansätzen für Obdachlose greifen v.a. im Migrationsbereich weitere Subkategorien. Die Anspruchsregelung gliedert sich dabei wie folgt:
ordentliche Sozialhilfe
Schweizer*innen, Personen mit Niederlassungsbewilligung, Personen mit Aufenthaltsbewilligung, Personen mit Flüchtlingseigenschaft (B und F)
Asylsozialhilfe
Vorläufig aufgenommene Ausländer*innen, Asylsuchende, Personen mit Dublin-NEE und gleichzeitig hängiger Beschwerde
Nothilfe (Sozialhilfestopp)
Rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende / Asylsuchende, die ihr Gesuch zurückgezogen haben / Personen mit einem Mehrfachgesuch / Personen, auf deren Asylgesuch rechtskräftig nicht eingetreten worden ist (NEE, also auch Dublin) / Personen, denen die vorläufige Aufnahme entzogen wurde
Die Ansätze für Asylsuchende waren schon immer sehr viel niedriger. Seit 2004 resp. 2008 erhalten Personen mit einem Nichteintretensentscheid oder einer rechtskräftigen Wegweisung nur noch Nothilfe statt Asylsozialhilfe. Der Ansatz für die Asylsozialhilfe in Bezug auf vorläufig aufgenommene Ausländer*innen muss seit dem 1. Oktober 2016 unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung liegen. Dies wurde von vielen Kantonen bereits vor dem 1. Oktober 2016 so praktiziert. Durch die Gesetzesänderung werden nun aber auch Kantone wie Basel-Stadt, die zuvor nach SKOS-Ansätzen auszahlten, diese Anpassung vornehmen müssen.
Kommentar
Die tieferen Sozialhilfeansätze für vorläufig aufgenommen Ausländer*innen entbehren einer logischen Begründung und sind aus humanistischer Sicht schlicht nicht vertretbar. Unbeachtet resp. unangewandt blieben die tieferen Ansätze bis dato bei Familiennachzugsgesuchen von VA’s: hier rechnen die kantonalen Behörden bei der Sozialhilfeprognose-Berechnung meist stinkfrech mit SKOS-Ansätzen weiter, obgleich die allenfalls nachzuziehenden Personen diesen Anspruch arg nicht hätten. Dies ist falsch – und muss in jedem einzelnen Fall angefochten werden!
Die «Lex Brunner» ist eine Gesetzesänderung, die seit dem 1. Januar 2011 in Kraft ist. Sie trägt ihren Namen «zu Ehren» ihres Initianten, alt SVP-Parteipräsident Toni Brunner. Die ursprünglich vermeintliche Absicht der Gesetzesänderung war (so wurde zumindest in der parlamentarischen Mitte argumentiert), «Scheinehen» zu verhindern.
Seit dem 1. Januar 2011 müssen in der Schweiz alle heiratswilligen ausländischen Staatsangehörigen ihren rechtmässigen Aufenthalt nachweisen (Art. 98 Abs. 4 ZGB). Zudem sind die Zivilstandsämter verpflichtet, die Ausländerbehörden über illegale Brautleute zu benachrichtigen (Art. 99 Abs. 4 ZGB). Menschenrechtsorganisationen hatten bereits anlässlich der Debatten über die Lex Brunner im Parlament darauf hingewiesen, dass dies faktisch einem Heiratsverbot für Sans Papiers gleichkomme und dass dies mit der Europäische Menschenrechtskommission (EMRK) nicht vereinbar sei.
Die Umsetzung der Bestimmungen im Zivilgesetzbuch zur Missbrauchsbekämpfung von Scheinehen ist problematisch, weil abgewiesenen Asylsuchenden und Sans-Papiers das Recht auf Ehe (Art. 12 EMRK) nicht systematisch verweigert werden darf. Das Bundesgericht hat in einem Grundsatzentscheid vom 23. November 2011 den Weg vorgegeben, wie die sogenannte «Lex Brunner» menschenrechtskonform umzusetzen ist. Um dem Einzelfall gerecht zu werden (bzw. um dem Recht auf Eheschluss und dem Gebot der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen), legt das Bundesgericht nun fest, dass die Fremdenpolizeibehörden den Betroffenen gegebenfalls für das Eheverfahren eine provisorische Aufenthaltsbewilligung auszustellen haben.
Dazu müssen laut Gericht allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits dürfen keine Indizien für einen Missbrauch – also eine «Scheinehe» – vorliegen. Andererseits muss feststehen, dass die ausländische Person nach dem Eheschluss die Bedingungen für einen nunmehr rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz erfüllt. Umgekehrt gibt es nach Ansicht des Bundesgerichts keinen Grund, den Aufenthalt einer Person zwecks Heirat zu verlängern, wenn sie die Schweiz danach trotzdem verlassen müsste. Mit dieser Einschränkung werde denn auch dem Willen des Gesetzgebers nachgekommen.
Kommentar
Für viele Sans-Papiers ist die einzige Hoffnung auf Regularisierung ihres Aufenthaltes, einen Schweizer oder eine Schweizerin, oder einen legal anwesenden Partner oder eine Partnerin kennenzulernen und zu heiraten (respektive eine registrierte Partnerschaft einzugehen). Um in der Schweiz heiraten zu können, müssen zwei Verfahren durchlaufen werden, die immer enger miteinander verknüpft sind: Das Ehevorbereitungsverfahren beim Zivilstandesamt sowie das fremdenpolizeiliche Verfahren um Bewilligungserteilung (Familiennachzug). Bereits vor der «Lex Brunner» stellte dieses Verfahren einen eigentlichen Hürdenlauf mit unsicherem Ausgang dar, mit dem Risiko monate- bis sogar jahrelang vom Partner oder von der Partnerin getrennt zu leben. Der Verdacht eine «Scheinehe» eingehen zu wollen, wurde mit der «Lex Brunner» generalisiert auf alle Paare, bei denen eine Ausländerin oder ein Ausländer aus einem Drittstaat stammt. / Weblinks: humanrights.ch / sans-papiers.ch
Abgewiesene Asylsuchende, Personen im Asylverfahren, vorläufig Aufgenommene sowie Sans-Papiers können im Fall einer persönlicher Notlage eine Härtefallgesuch einreichen, um eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) zu beantragen. Ein persönliche Notlage resp. ein schwerwiegender persönlicher Härtefall liegt vor, wenn die Lebensbedingungen der betreffenden Person im Vergleich mit dem «durchschnittlichen Schicksal», das ihre Landsleute bei einer Rückkehr zu erwarten hätten, in erhöhtem Mass in Frage gestellt sind. Da es sich bei der Härtefallbewilligung um eine humanitäre Bewilligung handelt, ist die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland gemäss persönlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht entscheidend und nicht der Schutz vor Ereignissen, die bei einer allfälligen Rückkehr drohen könnten (z.B. Verfolgung, Krieg etc.).
Für die Härtefallbewilligungen sind die Kantone zuständig, die prüfen, inwieweit die Rückkehr und das Leben im Herkunftsstaat für eine Person zumutbar sind. Dabei wird die mögliche zukünftige Lebenslage im Herkunftland mit der persönlichen Situation in der Schweiz verglichen. Es besteht keinen Rechtsanspruch auf eine Härtefall- resp. Aufenthaltsbewilligung. Je nach Status, die eine Person in der Schweiz inne hat, kommen bei schwerwiegenden persönlichen Härtefallen unterschiedliche Gesetze zum Zug.
Asylsuchende und abgewiesene Asylsuchende
Gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG können Kantone Asylsuchenden oder abgewiesenen Asylsuchenden in Übereinstimmung mit dem SEM eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn
die betroffene Person sich seit Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufgehalten hat;
der Aufenthaltsort der betroffenen Person den Behörden immer bekannt war;
wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt; und
keine Widerrufsgründe gemäss Art. 62 AuG vorliegen.
Vorläufig Aufgenommene
Gemäss Art. 84 Abs. 5 AuG können Kantone vorläufig Aufgenommenen in Übereinstimmung mit dem SEM eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn
sie sich seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten;
wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt; und
keine Widerrufsgründe gemäss Art. 62 AuG vorliegen.
Insbesondere ausschlaggebend für die persönliche Notlage sind die familiären Verhältnisse, die Integration und die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland. Es gelten die gleichen Widerrufsgründe wie bei Asylsuchenden und abgewiesenen Asylsuchenden. Im Gegensatz zu ihnen muss der Aufenthaltsort der vorläufige Aufgenommenen den Behörden nicht immer bekannt gewesen sein.
Sans-Papiers
Sans-Papiers haben ebenfalls die Möglichkeit, beim Kanton, in dem sie sich aufhalten, ein Härtefallgesuch einzureichen, um eine Aufenthaltsbewillgiung zu erhalten. Die gesetzliche Grundlage dafür ergibt sich aus Art. 30 Abs. 1 Bst. b AuG, der besagt, dass von den Zulassungsbestimmungen für Aufenthaltsbewilligungen (Art. 18-29 AuG) abgewichen werden kann, wenn ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt. Die Kriterien für eine Härtefallbewilligung für Sans-Papiers ergeben sich aus den Bestimmungen der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE), die auch die Bestimmungen für Asylsuchende, abgewiesene Asylsuchende und vorläufig Aufgenomme ergänzen und konkretisieren.
Härtefallkriterien
Gemäss Art. 31 Abs. 1 VZAE bestehen folgende Härtefallkriterien, die bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für oben genannte Personen angewendet werden:
die Integration der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers;
die Respektierung der Rechtsordnung durch die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller;
die Familienverhältnisse, insbesondere der Zeitpunkt der Einschulung und die Dauer des Schulbesuchs der Kinder;
die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung;
die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz;
der Gesundheitszustand;
die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat.
Die Liste der Kriterien ist nicht abschliessend, d.h. es können weitere Kriterien erwogen werden.
Das Härtefallverfahren
Härtefallgesuche werden beim Kanton eingereicht, der für die betreffende Person zuständig resp. in welchem die betreffende Person wohnt (dies betrifft Sans-Papiers, die aufgrund ihrer rechtlichen Situation nicht angemeldet sind). Das kantonale Migrationsamt prüft das Härtefallgesuch und entscheidet darüber, ob die gesuchstellende Person eine Aufenthaltsbewilligung erhalten soll oder nicht. Wird dem Gesuch stattgegeben, wird es dem SEM vorgelegt, das als letzte Instanz dem Gesuch zustimmt oder es ablehnt. Wird dem Gesuch zugestimmt, erhält die betreffende Person eine Aufenthaltsbewilligung. Im Fall, dass bereits der Kanton ein Härtefallgesuch ablehnt, können vorläufig Aufgenommene eine Beschwerde beim zuständigen kantonalen Gericht einreichen. Für Asylsuchende und abgewiesene Asylsuchende sowie Sans Papiers gibt es diese Beschwerdemöglichkeit nicht. Je nach Kanton gibt es allerdings eine sog. Härtefallkommission, die die Gesuche nach Ablehnung durch die kantonale Migrationsbehörde nochmals prüft.
Kantonale Härtefallkommission
Sie besteht meist aus Vertreter*innen der Behörden sowie externer Expert*innen und prüft die vom kantonalen Migrationsamt abgelehnten Härtefallgesuche. Sie gibt schliesslich eine Empfehlung an den*die Vorsteher*in der zuständigen Behörde (meist das Justiz- und Sicherheitsdepartement) ab. Diese*r entscheidet letztlich, ob die Gesuche ans SEM weitergeleitet werden. Die Härtefallkommission wird von der entsprechenden Behörde eingesetzt resp. gewählt.
Kantonale Unterschiede
Es gibt zum Teil grosse kantonale Unterschiede in der Handhabung der Härtefallgesuche, in der Anwendung der Härtefallkriterien und der Einsetzung einer Härtefallkommission. Letztere kann entscheidend sein, wenn die zuständige Behörde gerade im Fall von Sans-Papiers eine ablehnende Politik betreibt.
Kommentar
Man könnte meinen, die Härtefallregelung sei doch eine gute Chance für Personen, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, wenn sie z.B. die Flüchtlingseigenschaften nicht erfüllen, aber bereits so weit in der Schweiz integriert sind, dass eine Rückkehr in ihr Herkunftsland die persönliche Lebenssituation enorm verschlechtern würde. Man kann das Ganze aber auch von einer anderen Seite her betrachten und sich fragen, warum Menschen, die hierher gekommen sind, um hier zu arbeiten, um mit ihrer Familie zusammenzusein oder um ihre Lebenssituation insgesamt zu verbessern, nicht erwünscht sind und sich erst durch einen langwierigen Prozess schlagen müssen, um womöglich eine Aufenthaltsbewillgigung zu erhalten, die nach heutigem Stand eine verbesserte rechtliche Situation nach sich zieht. So einfach das Einreichen eines Härtefallgesuchs für die einen klingen mag, so wenig hat es mit der Realität zu tun. Einerseits werden viele Kriterien, die einem Härtefallgesuch vorangehen, nicht ohne Weiteres erfüllt. Zum Teil sind die Kriterien sehr streng angelegt, wie sich am Beispiel der Sozialhilfeabhängigkeit zeigt. Dass eine Person mit vorläufiger Aufnahme von der Sozialhilfe abhängig ist, ist leider oftmals sehr whrscheinlich, weil viele Arbeitgeber*innen nicht daran interessiert sind, eine Person einzustellen, die nur „vorläufig“ in der Schweiz ist, vielleicht noch kaum eine Landessprache beherrscht oder keine entsprechende Ausbildung mitbringt. Und was heisst „integriert sein“? Reicht es, einmal in der Woche beim örtlichen Fussballclub mitzuspielen oder muss die Person dann doch den Namen der Dorfmetzgerin kennen? Viele der Kriterien können so angelegt werden, wie es dem Kanton gerade am besten passt. Interpretationsspielraum ist vorgegeben.
Die hohen Hürden, die ein Härtefallgesuch mit sich bringen, zeigt sich insbesondere bei Sans-Papiers: mit der Einreichung des Gesuchs erfolgt automatisch der Schritt aus der Anonymität, die Sans-Papiers bewahren (müssen), um ihren gemäss Schweizer Gesetzen unrechtmässigen Status zu verbergen. Mit dem Härtefallgesuch gibt die betreffende Person ihre Identität preis, muss darlegen, dass sie meist lange Zeit irregulär in der Schweiz gewohnt und gearbeitet hat. Wird ein Gesuch positiv bewertet, hat sich der Aufwand, die Angst vor einer Ausschaffung, die Überwindung der Furcht vor dem Preisgeben der Identität gelohnt. Wenn das Gesuch abgelehnt wird, droht indes die Ausschaffung – und zwar in ein „Heimatland“, in dem die Person über viele Jahre nicht mehr gelebt und gearbeitet hat, vielleicht kaum mehr ein soziales Netzwerk hat, geschweige denn Arbeit findet. Und selbst wenn der Entscheid über ein Gesuch positiv ausfällt, heisst es nicht, dass die langjährige irreguläre Anwesenheit keine Konsequenzen mit sich bringt, wie sich im Fall von Basel gezeigt hat: in diesem Jahr (2017) wurden Personen, die im Rahmen eines Härtefallgesuchs eine Aufenthaltsbewilligung von der kantonalen Behörde erhielten, von derselben Behörden wegen illegallen Aufenthalts angezeigt. Dies ist so paradox wie absolut inakzetabel.
Eine Ausschaffung (auch Rückführung, Vollzug der Wegweisung oder Überstellung im Dublin-Verfahren) ist das logische Endprodukt der restriktiven Schweizer Asyl- und Ausländerpolitik, über die ungern geredet wird. Grundsätzlich gilt: wer sich ohne gültigen Aufenthaltsstatus in der Schweiz aufhält, muss die Schweiz verlassen. Wenn der Vollzug einer Wegweisung zulässig, zumutbar und durchführbar ist, ordnet in der Regel das Staatssekretariat für Migration SEM die Wegweisung aus der Schweiz an. Hierbei wird auf behördlicher Ebene zwischen «selbständiger» (auch «freiwilliger») und «unfreiwilliger» Ausreise unterschieden. Die selbständige Ausreise wird mitunter durch eine Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe unterstützt, jedoch haben per Gesetz nicht alle Anspruch darauf. Im Nachgang eines Nichteintretensentscheides im Rahmen der Dublin-VO haben die betroffenen Personen z.B. keinen Anspruch auf Rückkehrhilfe. Jenseits einer selbständigen Rückkehr setzt die Unfreiwilligkeit ein, dabei werden eine polizeiliche Rückführung und allenfalls Zwangsmassnahmen angeordnet. Voraussetzungen für solch zwangsweise Rückführungen sind gegeben wenn:
sich die ausreisepflichtige Person nicht kooperativ verhält
ihre Mitwirkungspflicht verletzt und durch ihr Verhalten die sogenannt freiwillige Ausreise verunmöglicht
die ausreisepflichtige Person die angesetzte Ausreisefrist verstreichen lässt
Anzeichen für Untertauchen oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegen
Der Vollzug der unfreiwilligen Ausreise ist Sache der Kantone. Innerhalb der unfreiwilligen Ausreise existieren heute drei «Ausschaffungslevels», die sich wie folgt aufschlüsseln lassen:
Level 1
Die sich illegal in der Schweiz aufhaltende Person, welche die Schweiz nicht freiwillig verlässt, wird durch die Polizei bis zum Flugzeug begleitet. Die Rückreise erfolgt ohne Fesselung und ohne polizeiliche Begleitung. (Eine Verweigerung ist stets möglich!)
Level 2
Nur wenn sich die rückzuführende Person derart widersetzt, dass eine solche Rückführung nicht möglich ist, wird sie gefesselt und von zwei Polizisten begleitet mit einem gewöhnlichen Linienflug zurückgeführt. (Eine Verweigerung ist stets möglich!)
Level 4
Wenn die rückzuführende Person so renitent ist, dass auch diese Form der Rückführung nicht möglich ist, wird sie in einem Sonderflug mit einer verstärkten Fesselung zurückgeführt (inkl. Rollstuhl, Spucknetz, Helm). Lediglich dieser Level einer Ausschaffung wird auf behördlicher Seite «Zwangssausschaffung» genannt. Doch die Frage stellt sich: Wann und wo beginnt der Zwang?
Eine polizeiliche Rückführung ist eigentlich immer von Zwangsmassnahmen (Art. 73 ff. AuG) begleitet, die meistens in einer Form von Administrativhaft angewandt werden. Andere Formen von Zwangsmassnahmen sind (kurzfristige) Festhaltungen oder Ein- resp. Ausgrenzungen. Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft sind die drei Formen der Administrativhaft und eigentlich das letzte Mittel, um den Vollzug der Wegweisung sicherzustellen.
Ausschaffungshaft
Zur Sicherstellung des Vollzuges kann die betroffene Person in Ausschaffungshaft versetzt werden. Die Ausschaffungshaft kann auch im Anschluss an die Vorbereitungshaft erfolgen.
Vorbereitungshaft
Ausländische Staatsangehörige ohne Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung können während der Dauer des Entscheidverfahrens über ihre Weg- oder Ausweisung in Vorbereitungshaft versetzt werden. Diese dauert maximal sechs Monate.
Durchsetzungshaft
Mit der Anordnung von Durchsetzungshaft soll eine zur Ausreise verpflichtete Person zur Mitwirkung bei der Weg- oder Ausweisung bewegt werden.
Der Vollzug dieser Massnahmen ist vom Strafvollzug, welcher ein Gerichtsurteil voraussetzt, klar abzugrenzen. Zwangsmassnahmen werden entweder vom SEM (oftmals in Dublin-Fällen) oder von den kantonalen Migrationsbehörden verfügt, müssen jedoch durch eine richterliche Behörde innerhalb von 96 Stunden auf deren Rechtmässigkeit und Angemessenheit überprüft werden.